Patenreise nach Ruanda im Sommer (2017)

Liebe Paten und Sponsoren,

hier mein Reisebericht zu unserer ersten gemeinsamen Patenreise nach Ruanda im Sommer 2107.

„Endlich in Ruanda angekommen“ hieß es für alle Teilnehmer der Reisegruppe, nachdem sie bis zum 23. Juli 2017 alle wohlbehalten in Kigali, der Hauptstadt, nach und nach gelandet waren. Ob sie ahnten, was sie alles erleben und mit welchen Erfahrungen sie wieder die Heimreise antreten würden?

Seit Längerem schon hatten Paten ihr Interesse bekundet nach Ruanda zu reisen, ihrem Patenkind zu begegnen und das Land kennen zu lernen. In diesem Jahr war es schließlich soweit und sie sollten nicht enttäuscht werden.
Sonja, die bereits eine Woche vorher nach Ruanda gereist war und auf etliche mehrwöchige Aufenthalte in dem Land zurückblicken konnte und somit bestens vertraut war mit den Begebenheiten und der Mentalität der Menschen dort, machte sich selbst nachts auf den Weg zum Flughafen, um jeden Einzelnen in Empfang zu nehmen und ihn in dieser unbekannten Welt sicher in seine Unterkunft zu begleiten. Begleitet und unterstützt wurde sie dabei von Egide, unserem Projektpartner vor Ort, der in den folgenden zwei Wochen zur unentbehrlichen und umsichtigen Hilfe Nyabugogo (Busbahnhof) werden sollte.

Wir staunten nicht schlecht, wie einfach der Erwerb einer ruandischen SIM-Karte und eines Telefonguthabens bzw. eines Internetzugangs (für jeweils 1 €) ist: An jeder Straßenecke befanden sich gelbfarbene Stände, an denen man dies von zumeist Jugendlichen erwerben konnte. Da drängten sich Vergleiche zu Deutschland geradezu auf!

Schon beim Rundgang durch die Stadt, der uns unter anderem an der deutschen Botschaft und dem Präsidentenpalast vorbeiführte, wurden wir nicht von einer Gedenkstätte verschont, die an die brutale Ermordung von zehn belgischen Blauhelmsoldaten durch Soldaten der Präsidentengarde im April 1994 erinnert, die zum Schutz der ruandischen Ministerpräsidentin abgestellt waren. In dem Gebäude
sind noch die unzähligen Einschusslöcher zu sehen und lassen erahnen, mit welcher Aussichtslosigkeit und Verzweiflung die Belgier um ihr Leben gekämpft haben müssen.
Ähnlich bedrückend gestaltete sich der Besuch des Genocide Memorial Center in Kigali, das uns das schier Unfassbare dessen, was vor 23 Jahren geschehen war, vor Augen führte und tiefe Nachdenklichkeit hinterließ: Warum haben die Vereinten Nationen und damit die Weltöffentlichkeit keine Hilfe geleistet? Und schauen wir heute nicht wieder zu bei den Brennpunkten der Welt? – Aber damit nicht genug: Die Reisegruppe besuchte auch zwei Kirchen, in denen Menschen Zuflucht gesucht hatten in der Annahme, an diesem ‚heiligen‘ Ort würden die Mörder von ihrem Treiben ablassen. Doch gerade hier fanden die schlimmsten Massaker statt. In einer Woche sollen hier 10 000 Menschen bestialisch umgebracht worden sein! Wir besuchten bei dieser Gelegenheit die Mutter unseres Patenkindes Josiane, eine von sieben Überlebenden dieses Massakers, bei dem sie 5 ihrer 6 Kinder verlor. Wir nahmen sie mit zu der Kirche, doch die Hoffnung, sie würde ein wenig erzählen, erfüllte sich nicht; das Erlebte lastete noch zu schwer auf ihr.

Die Unterkünfte sowohl in Karongi als auch in Rusizi, die einen herrlichen Blick auf den See zuließen, entschädigten für die doch eher bescheidene Unterkunft in Kigali und ließen für einen Moment Urlaubsgefühle aufkommen.

 

Der vierte Tag führte durch den Nyungwe Nationalpark, wo sich die Gelegenheit bot Schimpansen bzw. Colobus-Affen in diesem Urwald zu sehen und endete in der Universitätsstadt Huye, wo wir im Hotel mit der Mitteilung überrascht wurden, dass es in der Stadt seit Tagen kein frisches Wasser gebe. Da hieß es mit bereitgestellten Eimern voll Wasser vorlieb nehmen!

Zwei der mitgereisten Patenkinder studieren in Huye: sie führten uns über den Campus, wo es wegen der Sommerferien kaum Studenten zu sehen gab, dafür umso mehr Affen, die auch schon mal während des Unterrichts die Hörsäle stürmen sollen.

Der Besuch der Grundschule „Rise to Shine“ in dem Ort Rusheshe war nicht nur für die Kinder ein besonderes Erlebnis. Schon bei der Ankunft unseres Busses wurden wir von einer Schulklasse mit Gesängen begrüßt. Unser Besuch war auch Anlass für viele Eltern (allerdings nur Frauen) an diesem Tag zur Schule zu kommen. Nach einer herzlichen Ansprache der Direktorin Beatrice, in der sie auch die Arbeit unserer Kinderhilfe würdigte, und nach einigen Darbietungen der Kinder wurde Sonja mit einem Überraschungsgeschenk bedacht: einem Hosenanzug, den sie sich mit tatkräftiger Hilfe mancher Frauen auch gleich überzog. Die Übergabe von reichlich Schulmaterial, das im Vorfeld in Kigali eingekauft wurde, bildete den Abschluss unseres Besuches.

In einer anderen Familie leben 6 Personen auf wenigen Quadratmetern und müssen sich zum Schlafen eine Matratze teilen. Da es kein fließendes Wasser gibt, muss man oft lange Wege gehen, um zu einer Quelle zu gelangen. So verwundert es nicht, dass überall, selbst abseits der Straßen, viele Menschen mit ihren gelben Wasserkanistern unterwegs sind. Angesichts dieser so erschütternden bitterarmen Lebenssituation war es für uns umso unfassbarer, dass uns alle diese Menschen mit einem herzlichen Lächeln im Gesicht begegneten. Und da sie Sonja von früheren Besuchen her kannten, wurde sie mit besonders herzlicher Freude begrüßt.
Besonders emotional ging es bei den Patentreffen zu! Diese mit Spannung erwartete Begegnung war wohl für alle besonders aufregend, haben sie doch ‚ihre‘ nun schon älteren Kinder nach jahrelanger Unterstützung das erste Mal persönlich kennen gelernt. Dank ausreichender englischer Sprachkenntnisse auf beiden Seiten hat auch die Kommunikation bestens geklappt.

 

Inzwischen sind alle Teilnehmer wieder nach Hause zurückgekehrt und in ihren Alltag eingetaucht. Was wird wohl bei jedem Einzelnen von dieser Reise ‚hängen‘ geblieben sein? Vielleicht ist dem einen oder anderen das Land und seine Menschen ans Herz gewachsen – wie mir – und erwägt eventuell einen nochmaligen Besuch in diesem Land. Vielleicht überdenkt mancher auch angesichts der gesehenen Armut seinen Lebensstil bzw. seinen Umgang mit Lebensmitteln. Andere denken vielleicht eher politisch und machen sich Gedanken über weltwirtschaftliche Ungerechtigkeiten, die auch von Deutschland ausgehen und Ruanda belasten. Gedanken dieser und anderer Art waren zumindest in Ruanda schon immer mal wieder Gesprächsthema.

Herzlichst,

Ihr Manfred Suermann